Ein Arzt während einer Operation.
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Statistik 2022 zur Begutachtung von Behandlungsfehlern

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Gutachter: 3.221 Behandlungsfehler mit Schäden für Patienten

Die Prüfer der gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr 3.221 Behandlungsfehler bestätigt, durch die Patienten vorübergehend oder dauerhaft geschädigt wurden. Die Dunkelziffer ist Experten zufolge allerdings deutlich höher.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Gutachter der Krankenkassen haben im vergangenen Jahr in 3.221 Fällen ärztliche Behandlungsfehler mit gesundheitlichen Schäden für Patienten festgestellt. In 2.696 Fällen war der Fehler auch Ursache für den Schaden - nur dann haben Patienten Aussicht auf Schadensersatz. Das geht aus der am Donnerstag in Berlin vorgestellten jährlichen Statistik des Medizinischen Dienstes der Kassen hervor. In 84 Fällen endeten diese Fehler tödlich.

2022 hat der Medizinische Dienst bundesweit 13.059 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Die Gesamtzahl der Gutachten liegt seit Jahren bei etwa 14.000 Fällen pro Jahr bundesweit.

Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe

In der aktuellen Statistik kamen zwei Drittel aller Fehlervorwürfe aus der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (8.827 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4.208 Fälle). "Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe", erläuterte Christine Adolph, Leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes Bayern.

30,3 Prozent aller Vorwürfe (3.960 Fälle) betrafen Orthopädie und Unfallchirurgie, 12,2 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.599 Fälle), jeweils knapp neun Prozent die Frauenheilkunde und Geburtshilfe (1.143 Fälle) sowie die Allgemein- und Viszeralchirurgie (1.133 Fälle). Ebenfalls knapp acht Prozent entfielen auf die Zahnmedizin (1.006 Fälle) und über sechs Prozent auf die Pflege (834 Fälle).

Bei 60,5 Prozent der Fälle waren die Gesundheitsschäden der Patienten vorübergehend − eine Intervention oder ein Krankenhausaufenthalt waren notwendig. Die Patienten sind jedoch vollständig genesen. Bei 35 Prozent wurde ein Dauerschaden verursacht: Das reicht von einer Narbe über chronische Schmerzen bis zur Pflegebedürftigkeit oder dauerhaften Lähmungen.

Die Prüfer der gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr 3.221 Behandlungsfehler bestätigt, durch die Patienten vorübergehend oder dauerhaft geschädigt wurden. Die Dunkelziffer ist Experten zufolge allerdings deutlich höher.
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Die Prüfer der gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr 3.221 Behandlungsfehler bestätigt, durch die Patienten geschädigt wurden.

Keine zentrale Erfassung der Schadensfälle

Rückschlüsse auf die allgemeine Fehlerhäufigkeit können aus den Zahlen nicht gezogen werden, da es keine zentrale Erfassung gibt und viele Fehler nicht bemerkt werden. Zudem gibt es auch bei der Ärzteschaft Beschwerdestellen, und manche Patienten wenden sich direkt an Anwälte und Gerichte.

Die Bundesregierung lässt Betroffene von ärztlichen Behandlungsfehlern nach Auffassung der Deutschen Stiftung Patientenschutz im Stich. Die Stellung von Patientinnen und Patienten im Gesundheitssystem werde nicht gestärkt, kritisierte Vorstand Eugen Brysch in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Von einem Härtefallfonds fehle "jede Spur". Auch ein bundeseinheitliches Zentralregister lasse auf sich warten.

"Missstände lassen sich aber nur erkennen, wenn eine lückenlose Dokumentation erfolgt", sagte Brysch. "Ärzte und Pflegekräfte sowie Krankenhäuser, Praxen und Pflegeheime brauchen endlich eine Fehlerkultur." Ein zentrales Register könne alle Daten sammeln, um besser aus Fehlern zu lernen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse Patientenrechte gesetzlich stärken: "Dazu gehört in jedem Fall auch eine Beweislastumkehr zugunsten der Geschädigten."

Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.
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Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Medizinischer Dienst: Dunkelziffer deutlich höher

"Die Begutachtungszahlen zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens", sagte der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer. "Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist vielfach belegt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt." Experten gingen davon aus, dass etwa ein Prozent der Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen sei. Um die Patientensicherheit zu stärken, sollte der Blick aus Sicht des Medizinischen Dienstes auf besonders schwerwiegende, aber vermeidbare Fehler gerichtet werden (sogenannte Never Events). Dazu gehören Patienten- und Seitenverwechslungen, schwerwiegende Medikationsfehler oder unbeabsichtigt zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen. 2022 gab es 165 solcher Fälle (2021: 130 Fälle).

Hier fordert der Medizinische Dienst eine bundesweite Meldepflicht. "Deutschland sollte dies endlich umsetzen. Die geplante Novellierung des Patientenrechtegesetzes bietet die Chance, eine verpflichtende Nationale Never Event Liste einzuführen", sagte Gronemeyer. Die Meldung der Schadensereignisse diene ausschließlich der Prävention und geschehe anonym.

Mit Informationen von AFP und KNA

Die Zahl der ärztlichen Behandlungsfehler in Deutschland ist weiter auf hohem Niveau. Bundesweit rund 13.000 Verdachtsfälle hat der Medizinische Dienst für 2022 dokumentiert, etwa so viele wie 2021.
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Die Zahl der ärztlichen Behandlungsfehler in Deutschland ist weiter auf hohem Niveau.

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